So überwinden Sie die „analytische Kluft“

Menschen   |   Alan Jacobson   |   08. März 2020 LESEZEIT: 6 MIN
LESEZEIT: 6 MIN

In den 1980er Jahren wurde als „digitale Kluft“ nur die Lücke zwischen Personen mit und ohne Telefonzugang bezeichnet. In den 1990ern wurde die digitale Kluft als die Kluft zwischen Personen mit Zugang zu moderner Technologie, wie Internet oder Breitband, und denjenigen, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang dazu haben, neu definiert.

Dieser ungleiche Zugang ist für viele gleichzeitig Ursache und Konsequenz von Armut. Und auch wenn in diesem Bereich schon viele Fortschritte erzielt wurden, bleibt doch noch viel zu tun. Es wurden Verbesserungen vorgenommen, um die Unterschiede beim Zugang zu Technologien zu beseitigen. Der weltweite Internetzugriff lag 1995 bei unter 1 %, heute beträgt er bereits deutlich mehr als 50 %.

Doch auch 50 % sind immer noch eine große Lücke, die geschlossen werden muss. Selbst in wohlhabenden Ländern wie den USA bleiben diese Lücken groß. Das hat gezeigt, dass einkommensschwache Amerikaner:innen heute noch erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zum Internet haben.

Auswirkungen auf die BILDUNG

Die digitale Kluft hat besonders weitreichende Folgen für die Bildung. Vor Kurzem, als Schulen landesweit wegen der Corona-Krise ihre Türen schließen mussten, wurde die Ungleichheit des Technologiezugangs aufgrund sozioökonomischer Faktoren und ihre Auswirkungen besonders deutlich. Viele Eltern und Erziehende tun sich aufgrund mangelnden Zugangs schwer, ihren Kindern die Teilnahme am Online-Unterricht zu ermöglichen. Studierende mit niedrigem Einkommen können ihr Online-Studium von zu Hause aus ohne entsprechende Computerausrüstung und Internetzugang nicht fortsetzen.

Die Federal Communications Commission schätzt, dass 21 Millionen Menschen in den USA keinen Internetzugang haben, wobei fast 30 % dieser Menschen in ländlichen Gebieten leben und nur 2 % in Städten.

Eine neue Kluft tut sich auf

Zusätzlich zur lang bekannten „digitalen Kluft“ erleben wir zunehmend ein neues Phänomen: die „analytische Kluft“.

So wie die digitale Kluft sowohl eine Bildungs- als auch eine Einkommensungleichheit geschaffen und widergespiegelt hat, so spaltet auch die „analytische Kluft“ Gruppen entlang geografischer und sozioökonomischer Linien.

Die analytische Kluft

Der Zugriff auf Kommunikationstechnologien ist für die Verarbeitung von Informationen von entscheidender Bedeutung. Aber es gibt eine neue entscheidende Fähigkeit, die Menschen und Unternehmen voneinander trennt: die Fähigkeit, Daten für die Analyse und Automatisierung von Prozessen zu nutzen. Wir nennen dieses neue Spaltung die „analytische Kluft“.

Große Unternehmen erheben große Datenmengen und beschaffen ausgefeilte Systeme zur Analyse dieser Daten. Dadurch entsteht das Risiko, dass Wachstum und Innovation in allen Sektoren ungleichmäßig verteilt sind.

Für viele Unternehmen bleiben die Vorteile von Datenanalyse außer Reichweite.

Auswirkungen auf Unternehmen

Eine kürzlich vom International Institute for Analytics (IAA) durchgeführte Analyse von über 400 Unternehmen ergab, dass Unternehmen mit einem hohen digitalen Entwicklungsstand höhere Umsätze (+12 %), höhere Profitabilität (+26 %) und einen höheren Marktwert (+12 %) aufweisen.

Studien wie diese vom IAA zeigen, dass es eine zunehmende Kluft in der Leistung von Unternehmen gibt, die analytisch ausgereift sind, und solchen, die es nicht sind. Neben den quantitativen Daten sehen wir Beispiele in unserem Alltag, bei denen Unternehmen wie Amazon, Netflix und eine Vielzahl anderer „Digital Natives“ starke Traditionsunternehmen verdrängen, die einst führend in ihrer Branche waren.
Die stärksten Unternehmen betrachten die Datenanalyse nicht nur als relevant für eine elitäres Data Science-Team, sondern demokratisieren ihre Analysen und stellen sicher, dass alle Mitarbeitenden ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weiterentwickeln können. Diese Unternehmen helfen ihren Beschäftigten mit Tools, Trainings und viel Ermutigung dabei, ihre Fähigkeiten im Bereich der Datenanalyse konstant weiterzuentwickeln.

Auswirkungen auf den Menschen

Während sich die Kluft zwischen Unternehmen weitet, nehmen auch die Auswirkungen auf die einzelne Person zu. Wissensarbeiter:innen mit analytischen Fähigkeiten erzielen deutlich höhere Gehälter, und die wirtschaftliche Kluft zwischen Beschäftigten mit analytischen Fähigkeiten und solchen ohne analytische Fähigkeiten wächst schnell. Laut einer Gehaltsumfrage von LinkedIn beträgt das mittlere Grundgehalt von Data Scientists heute etwa 105.000 USD pro Jahr. Vergleichen Sie dies mit dem durchschnittlichen Gehalt von 53.000 USD pro Jahr für Personen, die in der Buchhaltung tätig sind, 64.000 USD pro Jahr für Personen in der Finanzanalyse, 58.000 USD pro Jahr für Personen in der Logistikanalyse oder 59.000 USD pro Jahr für Personen, die in der Marketinganalyse tätig sind. Die Unterschiede sind nicht gerade gering.

Fast alle Personen, die im Bereich „Wissensarbeit“ tätig sind, erkennen, dass die Fähigkeiten, Probleme analytisch anzugehen, Prozesse zu automatisieren und datengesteuerte Lösungen zu finden, sehr gefragt sind. Wissensarbeiter:innen können automatisierte Analysen per Drag & Drop nutzen, ohne einen Abschluss in Data Science zu benötigen. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich Data Science voraussichtlich auf über 2,7 Millionen steigen wird, fehlen etwa 360.000 Fachkräfte, um den Bedarf voll zu decken. Dabei ist zu bedenken, dass nur 39 % dieser Positionen einen Master- oder einen Doktorabschluss haben.

Teilen und erobern

Menschen, Bildung und Kultur stehen im Mittelpunkt dieser Herausforderungen und ihrer Lösungen. Die Lücken, die die digitale und analytische Kluft definieren, sind genauso wichtig wie die offensichtlichen Lücken im Zugang zu Technologien selbst. Die gute Nachricht für Wissensarbeiter:innen ist, dass diese Lücke sehr schnell und einfach geschlossen werden kann. Mit umfangreichen Online-Inhalten können diejenigen, die dieses Wissen nicht in ihren Präsenzkursen erlangen, ihre Fähigkeiten leicht entwickeln. Dies kann sogar auch während der Arbeit erfolgen. Einige Unternehmen wie Alteryx bieten diese Trainings für Kund:innen kostenlos an, während andere geringe Gebühren dafür verlangen.

Die Herausforderung in diesem schnelllebigen Bereich besteht darin, dass man nie auslernt und immer über neue Techniken und Technologien auf dem Laufenden bleiben muss. Das Erlernen grundlegender Techniken, um Prozesse zu automatisieren, Korrelationen zu finden und Daten so aufzubereiten, dass sie bei der Beantwortung von Fragen helfen, ist nur der erste Schritt, da in diesem vielschichtigen Gebiet jeden Tag neue Techniken hinzukommen. Natural Language Processing (NLP) zur Analyse von Freiformtexten, Zeitreihenprognosen und Marktattributionsanalyse könnten die nächsten Schritte sein. Als langjähriger Analyseexperte bin ich noch immer erstaunt, wie viel mehr es zu lernen gibt!

Unternehmen können auch daran arbeiten, die Kluft durch Initiativen zur digitalen Transformation zu schließen. Viele dieser Initiativen konzentrieren sich auf eine kleine Anzahl spezifischer Projekte, die als wichtig und transformativ eingestuft werden, anstatt sicherzustellen, dass alle ihre Wissensarbeiter:innen ihre Fähigkeiten erweitern. Während viele Schlüsselprojekte einen enormen Return on Investment bringen können, zeigen die Studien des IAA, dass analytisch ausgereifte Unternehmen diese Kompetenzen in allen Funktionen und auf allen Ebenen vermitteln. Das Ziel sollte letztendlich darin bestehen, Datenanalyse in jeden Bereich des Betriebs zu bringen und als Werkzeug bei allen Projekten zu nutzen.

Wo steht Ihr Unternehmen auf seinem Weg zur optimalen Datennutzung und auf welcher Seite der analytischen Kluft befinden Sie sich? Ergreifen Sie Maßnahmen, um die Kluft zu schließen? Werden alle Beschäftigten des Unternehmens eingebunden oder ist die Analyse auf wenige Projekte beschränkt?